Zum Liedgut der Andersen
in den Vorkriegsjahren

Im Berliner »Wintergarten« steht sie im Matrosenanzug im Mai 1935 auf der Bühne und erheitert das Publikum als »Nordseekrabbe«. Das Wiesbadener Film- und Varieté-Theater kündigt Lale Andersen-Wilke als »die Nordsee persönlich« an. Danach vollzieht sich eine sichtbare Wandlung der Lale Andersen. Sie passt sich zunehmend den nationalsozialistischen Idealen und Inhalten an – von den Liedtexten und Komponisten über den Frauentyp bis hin zur Garderobe. Der kecke, freche Matrosenanzug, mit dem die emanzipierte Sängerin aufs Klavier gesprungen war, geziemt sich nicht für eine Frau, die im Nationalsozialismus als Sängerin überleben will. Aus der aparten jungen Künstlerin, wie sie 1935 unter dem Titel »Frauen in München« abgebildet ist, wird 1938 eine brave, weiblich-mütterliche, nordische Sängerin. Im weiten, weißen Norwegerkleid mit neuer Frisur entspricht sie dem nationalsozialistischen Frauenbild.
 
(aus Gisela Lehrke: Wie einst Lili Marleen. Das Leben der Lale Andersen. Henschel-Verlag, Berlin 2002. S. 56 ff.)