Plattentext 1959

(auf: Warum hat der Napoleon u.a., Vinyl-EP  Ariola 40 370 CU.)

Teer, Tang und Träume sind in dieser Stimme. Aber nicht nur das. Lale Andersen, Seemannstochter von der Waterkant, kommt vom Kabarett.

Im alten »Simpl« zu München war Lale als lütte Hamburger Deern und Senatorenausgabe von »Klein-Erna« zu Füßen von Joachim Ringelnatz, Walter Hillbring und Fred Endrikat gesessen, mager wie eine Segelstange und weizenblond wie Lilofee. Und hatte gesungen. Da genügte ein Schal, ein rotes Hütchen, ein Bastkorb, ein Netz, eine langsame Drehorgelbewegung, um sie wundersam zu verwandeln und Atmosphäre zu zaubern. Lale Andersen beherrscht die Kunst der Nuance auf den Millimeter. Die Natur hat sie mit einer Gabe bedacht, die im deutschen Raume, auch wo sie zum Metier gehört, ausgesprochene Mangelware ist. Wir meinen Lales beinahe schon gallischen Esprit.

Willi Schaeffers, unvergessener Chef des unvergessenen »Kabarett der Komiker«, erkannte als erster die Talente. Die flachshaarige Maid stand auf den Brettern einer literarischen Kleinkunstbühne in Berlin und sang Shanties. Schaeffers holte sie ins »KadeKo«. Es folgte die allererste Andersen-Schallplatte: »Der Junge an der Reling«.

Der anderen Andersen, der mit dem beinahe schon gallischen Esprit, begegnet man indem Chanson »Warum hat der Napoleon« aus »Napoleon ist an allem schuld«, jener gallischen e-sprit-zigen Filmkomödie von Curt Goetz. Oder in der Pariser Miniatur »Madeleine«. Beide Lales, die Seemannsgarnspinnerin und die Kabarettistin, treffen sich in dem Song »In Japan ist alles so klein« – von Kurt Tucholsky.
 

Anonym