1942–45
 
Englische Propagandalieder
 
 

Lale durfte – mußte – für die deutsche Propaganda einige Lieder singen, wozu der damals superbegabte Horst Kudritzki die Arrangements schrieb. Gleichzeitig wurden die Aufnahmen als Schallplatten von der ELECTROLA gepreßt. Sie gelangten aber nicht in den offiziellen Handel und trugen auch kein [offizielles] Label; lediglich zwei Instrumente über Kreuz, eines war soweit ich mich erinnern kann, eine Gitarre. Das Label hatte eine dunkelrote Farbe und war übrigens nur wenige Zentimeter groß. Bei Blue Moon stand nur der Titel und drunter ›Lale Andersen‹. Auf der Rückseite war Lilly Marlene. Diese Platte wurde aber damals – 1942 – unter dem Ladentisch in der Tauentzienstraße verkauft. Sie kostete – auch die anderen – RM 50.  (Michael Wilke)

Andere Songs, die in englischer Sprache aufgenommen wurden, waren u. a.     
 
Roll on the Blue Funnel (Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei)

Sing, Nightingale, Sing (Sing, Nachtigall, sing)
Home May Be a Word (Drunt in der Lobau)
When the Scented Lilac Blooms Again (Wenn der weiße Flieder wieder blüht)
Under an Umbrella in the Evening (Unter einem Regenschirm am Abend) oder
And so Another Lovely Day is Over (Und wieder geht ein schöner Tag zu Ende)
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Charlie and his Orchestra, vol. 2 –
I Got Rhythm.
German Propaganda Swing 1941-1944

(Harlequin HQ CD 9)

 

Begleitet wurde sie mal vom UFA-Tanzorchester Wilhelm »William« Greihs, mal vom Orchester Lutz Templin nebst Karl »Charlie« Schwedler. Die Texte dieser Lieder sind recht harmlos, ja vielfach nur texttreue Übertragungen der ursprünglich deutschen Vorlagen ins Englische. Allein bei Roll on the Blue Funnel und bei Home May Be a Word wurde ein ganz neuer Text verfaßt, der Heimweh unter den englischsprachigen Hörer wecken soll. Ob sie der für seine nazifreundliche Haltung berüchtigte Engländer Norman Baillie-Stewart geschrieben hatte, läßt sich heute nicht mehr ermitteln.

Für die deutsche Wehrmacht zu singen, die so auf ihre Lili Marleen wartet, hat mir Hinkel verboten. Merkwürdig, und nun muß ich alle Innigkeit in englische Lieder legen, damit sie nach Übersee und zur Mittelmeer-Armee gesandt werden und die Herzen zu Deutschlands Gunsten betören. Lili Marleen ist nach langen Kämpfen von der englischen und amerikanischen Regierung freigegeben und DAS Lied geworden. (Tagebucheintrag Lale Andersens, September 1943)

Die Aufgabe, im nationalsozialistischen Interesse englische Lieder zu singen, hat sie wohl vom Juli 1942 bis Anfang 1945. Ins Tagebuch schreibt sie:

Im Übersee-Sender braucht man mich für englische Lieder nur einmal wöchentlich. Im deutschen Sender werde ich nicht beschäftigt. Mit Sendungen unserer unantastbaren wahrhaft Großen Beethoven, Bach, Goethe, Schiller, Schumann und Brahms glauben die Herren Sendeleiter, ihr hohes Niveau zu dokumentieren. Daß auch in unserer Zeit Komponisten leben und daß auch aus unserer Zeit Dichter sprechen, wissen sie nicht. Nur kein geistiges Experiment. Auf Anordnung des Auswärtigen Amtes nehme ich also in englischer Sprache Schallplatten auf oder singe in den eigenen vier Wänden, wonach mir das Herz steht. (Tagebucheintrag Lale Andersens, Anfang 1945)